Aus materialwissenschaftlicher Perspektive, sind die Lösungen der Biologie herausragend, trotz einer nur begrenzten, von der Verfügbarkeit chemischer Elemente determinierten Auswahl an Stoffen. Dies wird nicht zuletzt dadurch erreicht, dass verschiedene Einheiten synergistisch zusammenwirken, indem sie auf unterschiedlichen Längenskalen hierarchisch verzahnt werden. In der Forschung unterliegt man nicht den Restriktionen der Verfügbarkeit und hat Zugriff auf die gesamte Breite der Funktionskörper. Man hat es bisher aber in den chemischen Materialwissenschaften nur in begrenztem Umfang geschafft, in ähnlicher Weise kooperative Effekte durch hierarchische Strukturierung zu erzeugen. Dies motiviert uns, und wir entwickeln die Molekulare Mesotechnologie als Werkzeug, das genannte Ziel zu erreichen.
Molekulare Mesotechnologie
Wir nutzen das gesamte Arsenal der chemischen Synthese (anorganisch, organisch, metallorganisch), um molekulare Baueinheiten zu erzeugen, in denen bestimmte Funktionseigenschaften hinterlegt sind. Dies können organische Gruppen in Organosilikat-Sol-Gel-Vorstufen, Tenside mit metallhaltigen Köpfen oder auch Vorstufen für Nanopartikelsynthesen sein. Die Information bleibt bei der Mesostrukturierung der Festkörper ausgehend von diesen Vorstufen erhalten, sodass ein höheres Maß an Kontrolle über die funktionellen Eigenschaften erreicht werden kann. Um die Eigenschaften genau zu verstehen ist eine ebenso breite Basis der Materialanalytik erforderlich. Abschließend werden die erhaltenen Materialien modellhaft einer konkreten Anwendung zugeführt.
Self-Assembly: Tenside mit neuen Kopfgruppen
Tenside sind molekulare Vertreter von sogenannten Amphilen, Substanzen, die sowohl einen Wasser-kompatiblen (hydrophilen) Teil als auch einen Öl-kompatiblen (hydrophoben) Teil aufweisen. Tenside zeichnen sich durch vielfältige Selbstorganisationseigenschaften aus. Am bekanntesten ist hier die Ausbildung von Mizellen. Sie haben Bedeutung in einer großen Anzahl von Anwendungen, z.B. in Reinigungsmitteln, Kosmetik, Pharmazeutika, etc. Die AG Polarz ist darauf spezialisiert, durch die Synthese von Tensiden mit einer metallhaltigen Kopfgruppe neuartige und höher funktionelle Systeme zu erzeugen.
Ein großer Schwerpunkt liegt dabei auf Tensiden, die sich durch katalytische Eigenschaften auszeichnen. Konkret beschäftigen wir uns mit Tensiden, die als Kopfgruppen aufweisen:
- Molekulare Halbleiter und deren Redoxaktivität
- Metall-N-Heterocyclische-Carben Komplexe als Kopfgruppen für Krosskupplungsreaktionen
Wir sind ebenfalls davon fasziniert zu erforschen, wie sich das Selbstorganisationsverhalten von Tensiden in einer Nicht-Gleichgewichtssituation verändert. Dazu müssen Tenside zur Verfügung stehen, in die von außen Energie eingebracht werden kann. Deshalb entwickeln wir stimuli-responsive Tensidsysteme mit den relevanten Kopfgruppen:
- Molekulare Halbleiter und deren Redoxaktivität
- Komplexe paramagnetischer Metalle als Kopfgruppe für magnetisch schaltbare Systeme
Halbleitermaterialien: Partikel-basierte Materialien
In Partikel-basierten Materialien wird das Eigenschaftsprofil des individuellen Nanopartikels mit zusätzlichen Charakteristika durch das kollektive Verhalten des Ensembles ergänzt. Da somit die räumliche Anordnung der Partikel nicht zufällig erfolgen sollte, erhält die Rolle der Partikelform herausragende Bedeutung. Durch eine periodische Anordnung von Einzelobjekten im Raum erhöhen sich skalenunabhängig die Chancen synergistische Effekte beobachten zu können, also Merkmale die sich nur für ein Ensemble ausbilden. Auf der atomaren Skala ist ein Beispiel die Bildung von Bandstrukturen, die durch die elektronische Wechselwirkung von Atomen an Gitterpositionen verursacht wird.
Teilchen größer als Atome können ebenfalls kristalline Phasen ausbilden, im einfachsten Fall dichteste Kugelpackungen. Die sogenannten photonischen Materialien stellen ein beeindruckendes Beispiel dar, dass durch die periodische Assemblierung wiederum kollektive Effekte resultieren. Im Gegensatz zu Atomen können im Falle von Partikeln aber auch nicht-sphärische Baueinheiten vorliegen, wodurch andere Möglichkeiten der Anordnung eröffnet werden. Welche kooperativen Eigenschaften sich dann für diese besonderen, kolloidalen Kristalle ergeben stellt eine aktuelle Frage im Gebiet der Partikel-basierten Materialien dar, mit deren Beantwortung eine Reihe von wissenschaftlichen Problemstellungen untrennbar verknüpft sind. Zunächst müssen die Eigenschaften des Einzelpartikels betrachtet werden. Lange bekannt ist die Erkenntnis, dass bei gleicher Zusammensetzung die Eigenschaften sehr stark durch die präzise Einstellung der Ausdehnung eines Festkörpers beeinflusst werden. Die zu Grunde liegenden Größenquantisierungseffekte stellen die elementare Grundlage der Nanowissenschaften dar. Zu beantworten gilt die Frage, ob bei gleichem Volumen auch die Form des Partikels Auswirkungen auf dessen Eigenschaften hat. Ausgangsbasis der Analyse ist letztlich, dass man für ein gewünschtes Funktionsmaterial verschiedene, besser noch beliebige Partikelformen generieren kann.
Unsere Kerninteressen:
- Nanopartikeln aus magnetischen Halbleitern z.B. EuO
- Organisch-Anorganischen Perowskitmaterialien für optoelektronische Anwendungen
- Zinkoxidmaterialien und Form-abhängiges Self-Assembly
- Oxydische Barcode-Nanowire als Memristoren
Poröse Festkörper: Gradientenmaterialien und Nachbargruppeneffekte
Die Homogenität eines Materials gilt gemein hin als ein Kriterium der Qualität, weshalb man in der Regel versucht, die Synthesen so zu führen, dass sich keine lokalen Unterschiede in Struktur und Zusammensetzung ergeben. Demgegenüber stehen sogenannte funktionelle Gradientenmaterialien, die durch den Verlauf von einer Eigenschaft zu einer Anderen viel komplexere Aufgaben erledigen können. Wir versuchen dieses Konzept auf den Bereich von porösen Materialien zu übertragen. Letztlich geht es dabei auch um die Frage, wie unterschiedliche funktionelle Gruppen in einem Material so zusammenwirken können, dass sich neue, kooperative Effekte und Eigenschaften ergeben. Wir erforschen:
- Poröse Janus Nanopartikel als aktive Kolloide
- Poröse Gradientenmaterialien durch Klick-Chemie
- Poröse Organosilikatmaterialien für biozide Beschichtungen und als lebende Funktionsmaterialien Chemie
- Nachbargruppeneffekte in der Chromatographie und für CO2 Speichermaterialien
- Poröse Kohlenstoffmaterialien mit funktionellen Gradienten
Kooperationen
Leitung
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