Die analytische Expertise der Arbeitsgruppe Gebauer besteht in der Entwicklung und Kombination verschiedenster Methoden zur quantitativen Beleuchtung der Mechanismen der Festkörperbildung aus Lösungen. Im Fokus aktueller Forschung liegen amorphe Vorläufer- und Übergangsspezies in der Kristallisation der bedeutendsten Biomineralien, weiterer technologisch wichtiger Mineralien aber auch organischer Verbindungen. Obwohl diese Prozesse omnipräsent sind und in vielen Anwendungen genutzt werden, bleiben die zugrundeliegenden Mechanismen weitgehend unklar. Neue Einblicke helfen wesentlich, etwa Materialsynthesen zielgerichtet gestalten zu können.
Analytik und Methodenentwicklung
Sorgfältige physikalisch-chemische Analysen von Keimbildungs- und Kristallisationswegen sind der Schlüssel zu neuen Erkenntnissen zu den Mechanismen der Festkörperbildung aus Lösung. Diese sind untrennbar und tief in der analytischen Chemie verwurzelt; die Kombination verschiedener Methoden ist ein Muss. Unsere Hauptexpertise ist die Verwendung und Weiterentwicklung fortschrittlicher Potentiometrie- und Titrationsmethoden, analytischer Ultrazentrifugation, Massenspektrometrie und Infrarotspekroskopie. Viele weitere Methoden finden sich in der Arbeitsgruppe oder werden in Kollaboration mit internen und/oder externen Forschungsgruppen angewendet. Besonders wichtig ist uns die Kollaboration mit theoretischen Gruppen, um die Vereinigung von Theorie mit Experimenten sowie ein atomistisches Verständnis der Mechanismen der Festkörperbildung aus Lösung zu erreichen.
Bio- und biomimetische Mineralisation
Wenn es um die Entwicklung neuartiger und fortschrittlicher Materialien geht, haben sich Ansätze, die natürliche Vorbilder zur Inspiration nutzen (Biomimetik), als vielversprechend erwiesen. Beispielsweise bleiben die Materialeigenschaften biologisch gebildeter kristalliner Mineralien, sogenannter Biomineralien wie Knochen, Zähnen oder Perlmutt, von entsprechenden künstlichen Materialien unerreicht. In den biologischen Materialien ist die Struktur höchst ausgeklügelt an die jeweilige Funktion angepasst, was zeigt, dass eine zielgerichtete Kontrolle über Kristallisationsvorgänge prinzipiell möglich ist.
Bis zum heutigen Tag bleiben die Mechanismen, die der in vivo und in vitro Kristallisationskontrolle zugrunde liegen, jedoch weitgehend unverstanden. Um Strukturen der Biomineralien nachzuahmen, z.B. in Implantaten, oder neuartige Bottom-up-Ansätze für die Synthese fortschrittlicher Materialien zu entwickeln, müssen diese Verständnislücken gefüllt werden.
Die allgemeine Auffassung ist, dass Kristallisationskontrolle in vivo durch ein feines Zusammenspiel gelöster Bio(makro)moleküle und unlöslicher organischer Matrizen mit den entstehenden Mineralien erreicht wird. Dies kann in vitro mit Hilfe von synthetischen (biomimetischen) Additiven untersucht werden. Organisch-anorganische Wechselwirkungen modulieren die Kristallisation und greifen in den verschiedenen Stadien der Kristallisation ein. Konkret beschäftigen wir uns in diesem Forschungsfeld unter anderen mit:
- Mechanismen der additivgesteuerten Keimbildung und Kristallisation
- Rolle von Pränukleations-Clustern und amorphen Intermediaten in lebenden Systemen (Biomineralisation)
- Prinzipien der Nukleationshemmung mit Zusatzstoffen
- Anwendung von nicht-klassischen Keimbildungs- und Kristallisationskonzepten zur Entwicklung neuer Bottom-up-Synthesen fortschrittlicher Funktionsmaterialien
Mechanismen der Festkörperbildung
Zahlreiche Studien zur Festkörperbildung – insbesondere zur Bio- und biomimetischen Mineralisation – haben gezeigt, dass die Lehrbuchmeinung zu Nukleation und Wachstum zu stark vereinfacht ist. Sogenannte „nicht-klassische“ Konzepte, die die Bildung stabiler Pränukleations-Cluster und amorpher Intermediate berücksichtigen, sind in vielen Fällen der Schlüssel zu einem neuartigen Verständnis der Mechanismen der Festkörperbildung aus Lösung. Entsprechende Erkenntnisse können in verschiedensten Bereichen genutzt werden, von der Materialchemie und Pharmazie über die Baustoff- und Implantattechnik zur Medizin.
Wir beschäftigen uns mit den bedeutendsten Biomineralien, Calciumcarbonat und -phosphaten, weiteren technologisch wichtigen Barium-, Eisen oder Aluminiumverbindungen aber auch kleinen organischen Molekülen, die z.T. pharmazeutisch aktiv sind. Dabei werden konkret Fragestellungen beleuchtet, die die folgenden Themen umfassen, aber nicht auf diese beschränkt sind:
- Thermodynamik von stabilen Pränukleations-Clustern und metastabilen Intermediaten in der Nukleation
- Keimbildungs- und Fällungskinetik unter Berücksichtigung stabiler Cluster und amorpher Intermediate
- Struktur und Dynamik von Pränukleations-Clustern
- Protokristalline Strukturen in amorphen Intermediaten (Polyamorphie) und deren Kristallisation
- Implementierung des Pränukleations-Cluster-Konzeptes in eine quantitative, nicht-klassische Nukleationstheorie
- Rolle von nicht-klassischen Spezies beim Kristallwachstum
Kooperationen
Nationale Kooperationen
Internationale Kooperationen
Leitung
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